Kraftvoll zurück ins Leben

Ich war gerade einmal 17 Jahre alt und absolvierte ein Praktikum im Krankenhaus. Jung und alles andere als selbstbewusst, fand ich mich in einem Team ausschlieslich aus Frauen wieder, wo das Thema Gewichtsabnahme oft präsent war. Sätze wie “Ich muss unbedingt wieder eine Diät machen” waren beinahe alltäglich. Als das jeweilige Gewicht genannt wurde, bemerkte ich, dass ich teilweise sogar mehr wog als diese Frauen. Versteht mich nicht falsch, ich war nie dick, sondern immer im Normalgewicht, aber offenbar war das für mich zu viel.
Daraus entstand der Gedanke, dass auch ich abnehmen müsste. Also machte ich mir dies zu meinem Neujahrsvorsatz. Anders als andere, die ihre Vorsätze nach zwei Wochen über Bord warfen, war dies für mich der Beginn einer der schwersten Zeiten meines Lebens. Ich begann damit, immer weniger zu essen. Durch eine kohlenhydratarme, fettarme Diät verlor ich schnell an Gewicht. Was ich damals noch nicht wusste, war, dass dies hauptsächlich Wasser war und kein Fett. Ich freute mich über meine Erfolge, was mich dazu motivierte, immer weiterzumachen.
Nach einer Weile stagnierte mein Gewicht, obwohl ich nicht mehr ass (Wenn sich der Körper anpasst, normalisiert sich die Wasserausscheidung, was zu einem scheinbaren Stillstand des Gewichtsverlusts führt.). Also hatte ich das Gefühl, dass ich noch weniger essen und mehr Sport treiben müsste, und so ging es immer weiter. Ich stellte mich jeden Tag mehrmals auf die Waage, ass fast nichts, obwohl ich damals einen sehr anstrengenden Vollzeitjob hatte und die Arbeit von drei Leuten erledigen musste. Nach der Arbeit ging ich ins Fitnessstudio und machte Cardio. Ich arbeitete im 13. Stock und nahm jedes Mal die Treppe, wenn ich in den Keller musste. Gleichzeitig ernährte ich mich von ein paar Gurkenscheiben und einem ekligen Salat mit etwas Magerquark als Dressing. Wenn ich abends im Bett lag und nicht schlafen konnte, weil mein Magen knurrte, überlegte ich, ob ich noch ein Stück Gurke essen sollte. Manchmal gab ich nach und ass ein kleines Stück. Danach fühlte ich mich elend und kompensierte dies am nächsten Tag mit noch mehr Cardio Training.
Ich frage mich bis heute, wie ich das so lange durchhalten konnte, wie mein Körper die Energie hatte, trotzdem jeden Tag so hart zu arbeiten. Irgendwann bemerkte auch mein Umfeld, dass etwas nicht stimmte. Meine Mutter begleitete mich zum Arzt, da ich ständig Nasenbluten hatte, und sprach mit ihm, um Hilfe zu bitten. Insgesamt war ich dreimal stationär in der Klinik. Die ersten beiden Male waren nur kurze Aufenthalte. Stationär ass ich extrem viel, damit ich schnellstmöglich zunahm und wieder austreten durfte. Ich liess mich auf keine Therapien ein, was dazu führte, dass ich jedes Mal wieder rückfällig wurde, sobald ich draussen war.
Vor meinem dritten Klinikaufenthalt erreichte das Ganze jedoch eine ganz andere Dimension. Eines Abends, lag ich in meinem Bett und fühlte zum ersten Mal wieder Angst. Ich hatte Angst einzuschlafen, weil ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde und ich nie wieder aufwachen würde. Ein paar Tage später, war ich bei der Arbeit und bekam Kopfschmerzen. Obwohl ich deswegen niemals nach Hause gegangen wäre, spürte ich, dass ich schnellstmöglich gehen musste. Mir war klar, dass ich in die Klinik musste, mein Körper hielt das alles nicht mehr aus. Also fasste ich den Entschluss, meine Ärztin anzurufen. Noch am selben Tag ging ich zu ihr. Sie untersuchte mich und liess mich sofort einweisen. Sie sagte mir, wie dankbar sie war, dass ich gekommen war, denn ich hätte keine Woche länger überlebt. Diese Worte haben mich aufgeweckt! Die ganze Zeit zuvor war ich wie ein Zombie durchs Leben gegangen. Ich war nur noch eine Hülle ohne wirkliche Gefühle und Ängste. Ich konnte die Strasse überqueren, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob ein Auto kommt und mich überfährt. Selbst durch den dunklen Wald konnte ich gehen, ohne mich zu fürchten. Ich zog mich zurück, traf meine Freunde nicht mehr und verlor mich mehr und mehr in Gedanken, die sich um Essen, Kcal, ein schlechtes Gewissen und Kompensation drehten. Aber ab diesem Moment wusste ich, dass ich gesund werden wollte. Ich wollte mich von dieser Krankheit befreien und wieder ein normales Leben führen. Zu dieser Zeit war ich so dünn, dass ich mich vor meinem eigenen Spiegelbild fürchtete. Ich konnte nicht in den Spiegel schauen. Ich erkannte, wie dünn ich war, aber trotzdem schaffte ich es nicht, mehr zu essen und zuzunehmen. Mein Kopf liess es einfach nicht zu. Das war der Anfang meines wirklichen Heilungsprozesses.
Daraufhin war ich fast ein Jahr lang stationär. Ich nahm mir dieses Mal die Zeit und konnte dann mit einem relativ gesunden Gewicht in ein ambulantes Setting entlassen werden. Doch wenn man dann plötzlich wieder “alleine” dasteht, können diese Gedanken natürlich wieder stärker werden. Ehrlich gesagt, geriet ich damals in eine weitere Essstörung, nämlich Binge-Eating. Ich ass den ganzen Tag nichts und stopfte abends vor dem Fernseher alles Mögliche in mich hinein, da die Angst, am nächsten Tag nicht wieder aufzuwachen, wieder in mir aufstieg.

Wie ich es dann geschafft habe, aus diesem Strudel auszubrechen, und zurück in ein Leben ohne der ständigen Angst vor der Zunahme zu leben, möchte ich dir in meinem Coaching beibringen. Denn gerade an Tagen, an denen es mir nicht gut ging und es mir noch schwerer fiel, mit dem Essen umzugehen, und man dann Sätze hörte wie “Was ist denn daran so schwer? Iss doch einfach, ist doch ganz leicht. Warum isst du nicht einfach?” oder “Ja, deine Probleme möchte ich auch mal haben. Stell dich nicht so an”, Ich hätte mir jemanden gewünscht, der mich versteht und mich durch diese schwere Zeit begleitet. Aber nicht irgendeinen Psychologen oder Arzt, sondern jemanden, der genau weiss, wie ich mich fühle, weil er oder sie selbst Ähnliches erlebt hat. Versteh mich nicht falsch, ich bin unglaublich dankbar für die grossartige Ärztin und die fantastische Psychologin, die mich unterstützt und mir enorm geholfen haben. Doch trotz allem ist es nicht dasselbe. Sie mögen zwar täglich mit Menschen arbeiten, die unter dieser psychischen Krankheit leiden, aber sie wissen nicht, wie es sich wirklich anfühlt.
Schon während meiner stationären Behandlung bemerkte ich, dass ich anderen Anorexie-Patientinnen gerne helfe und irgendwie auch ein Händchen dafür habe, ihnen Tipps zu geben, die zu ihrer Genesung beitragen. Ich habe es mir irgendwie zur Aufgabe gemacht, ihnen positive Denkanstösse und Hoffnung auf Heilung zu vermitteln. Bereits damals durfte ich ein Interview mit meiner Psychologin führen, in dem es um Tipps ging, wie man am besten mit Anorexie-Patienten umgehen sollte. Dieses Video wird bis heute angehenden Psychologen in Vorlesungen gezeigt.
Nun aber möchte ich dir helfen, den Weg zur Heilung zu finden. Ich nehme dich an die Hand und zeige dir, wie schön das Leben sein kann. Kommst du mit mir?